Es war einmal ein kleines Mädchen, das, Hand in Hand, mit seinem Großvater im tief verschneiten Wald spazieren ging. An einer Weggabelung blieb der Großvater plötzlich stehen, löste sich von ihm und fragte es, was es werden wolle, wenn es erwachsen sei. Ohne zu überlegen antwortete die Kleine ihm: „Schriftstellerin natürlich!“ und strahlte ihn dabei mit ihren tiefblauen Augen fröhlich an. Dem Großvater aber genügte diese Antwort nicht und er fragte sie nach dem Grund für diesen Wunsch. Auch dieses Mal musste die Kleine nicht lange nachdenken und sprach im Brustton der Überzeugung: „Ich habe doch gar keine Wahl, ich muss Schriftstellerin werden. Wie könnten sonst all die Geschichten, Abenteuer und die dazu gehörenden Gestalten und Wesen jemals lebendig werden, die ich in meinem Kopf habe?“. Da blickte der Großvater seine Enkeltochter mit erstauntem, aber stolzem Blick an, nickte kurz, sagte: „Das verstehe ich …“, nahm die Kleine erneut an die Hand und gemeinsam entschieden sie sich, den unbefestigten Trampelpfad in der Mitte der Weggabelung weiter zu laufen und abzuwarten, wohin sie das führen würde.
Viele Jahre später, das Mädchen war inzwischen erwachsen und tatsächlich eine erfolgreiche Schriftstellerin geworden, der Großvater bereits verschieden, kam die nunmehr erwachsene junge Frau zufällig bei einem Waldspaziergang mit ihren Kindern an derselben Weggabelung vorbei. Die drei blieben stehen und sie erzählte ihrem Sohn und ihrer Tochter von dem Gespräch mit ihrem Großvater an dieser Stelle. Danach fragte sie jeden der Zwei, was er bzw. sie einmal werden wollten. „Einhorn-Züchterin“, rief da die Kleine und „Dinosaurier-Reproduktions-Mediziner“ der Große. Doch anders, als es ihr Großvater Jahre zuvor getan hatte, fragte sie keine(n) von ihnen nach dem Grund für diesen Wunsch. Stattdessen nickte sie verstehend, sagte: „Tolle Idee, dann werdet ihr das auch ganz bestimmt“ und wanderte dann gemeinsam mit ihren Beiden mitten durch den Wald, einfach Querfeld ein und weit weg von jeder befestigten Straße und jedem bekannten Weg und gemeinsam ließen sie sich überraschen, wo sie dabei rauskommen würden.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann wandern die Kinder der Kinder des Mädchens noch heute gelegentlich durch den Wald, auf dem Weg zu ihren Wünschen und Träumen.
Alle auf dieser und den folgenden Seiten verwendeten Texte und Fotografien sind urheberrechtlich geschützt. Solltest Du diese oder Teile hiervon verwenden wollen, wende Dich bitte an die Autorin – anja@gezittert-gereimt.de – ein Text von Anja Allmanritter, Koblenz