Ich bin ein ewiger Wanderer zwischen den Seiten meines Lebensbuches und das von Anfang an.

Manchmal ich dabei innehalten und in einem Lebenskapitel für eine Weile zur Ruhe kommen kann.

Auf welcher Seite meines Lebensbuches ich dabei welches Geheimnis und was über mich selber entdecke, unter welch fadenscheinigen Remittenten-Seiten ich mich vielleicht zwischendrin auch mal verstecke,

wie lange meine Etappen zwischen den einzelnen Kapiteln ausfallen,

ob, brutal, fremde Lebensbücher aus den Regalen der göttlichen Himmelsbibliothek auf mich herunterknallen,

ob mein Einband dabei Schäden erleidet,

ob mich mancher Fremd-Lebensleser gerne auswählt oder eher meidet,

das alles kann ich zu keiner Zeit vorhersagen.

Dafür bestehen meine Lebensbuchseiten aus zu vielen, nie zu klärenden Fragen.

Antworten, die ich zwischendrin, ab und an,

scheinbar teilerklärend finden kann,

helfen mir zwar, mich zuzudecken mit einem besseren Lebensgefühl,

obwohl ich, in meiner blinden Ahnungslosigkeit, in der Vergangenheit schon des Öfteren von meinem Bücherbrett hinunter ins Bodenlose fiel.

Trotzdem finde ich mich als Teil meines eigenen Buches sehr oft verloren

und taub wie ein Floh ohne Ohren

für die Wahrheiten zwischen den Zeilen,

sofern mein Lebensregisseur seine Anweisungen will überhaupt mit mir teilen.

Auch ermüde ich beim Lebensseiten-Durchstöbern immer schneller, je länger ich reise.

Manchmal erscheint’s mir, als flüsterten leise,

berauschende, aufputschende, ermunternde Töne von wo auch immer,

vielleicht ausgehend von mir selbst oder herüberziehend aus einem anderen Bibliotheken-Zimmer,

vielleicht auch von einem belebenden Seelen- Kaffee oder -Tee,

wo auch immer der zugehörige schwere Keramik-Pott dazu steh‘,

mir wachrüttelnde, versöhnende, berührende, belebende oder aufwühlende Dinge zu,

die mich in mancher Lebensnacht bringen mehr als nur kurz um meine Nacht-Ruh‘.

Oder sind es tatsächlich eher betörende, einschläfernde, halluzinogene Seelen-Gebräu-Dämpfe,

mit denen ich während meiner Lebensbuch-Rundreise-Wanderung unwissentlich kämpfe?

Je länger ich mich und meine Reise betrachte,

je weniger ich eigentlich dazu sicher weiß, umso mehr ich es als gegeben erachte,

dass ich eigentlich nicht nur ein tauber, sondern auch ein dummer Reisender bin,

denn ich kann mir nicht einmal selbst erklären meines eigenen Lebens Sinn.

Ich bin ein blinder Passagier, der mit verbunden Augen

und dem selbstgeschaffenen, weil mich selbst tröstenden Glauben,

dass es ein Leben nach dem Abspann des Lebens gibt,

wahrscheinlich vor allem eines sein ganzes Leben lang tut, nämlich sich selbst belügt,

aus Angst, nur ein unbedeutender Federstrich in einem Buch-Entwurf eines Lebensautors zu sein,

für den meine, von ihm für mich erdachte, Rolle im Universal-Ewigkeits-Theaterstück ist so unbedeutend und klein,

dass nichts und niemand an Bedeutung verliert,

wenn man mich von der Besetzungsliste streicht und einfach so ausradiert.

Oder bin ich vielleicht gar nicht die Marionette an des Lebensautors Fäden,

weil Entscheidungen eigentlich viel öfter in meinen eigenen Autorenhänden lägen,

um meine leeren Lebensseiten zu füllen?

Könnte ich mich vielleicht tatsächlich in jede Lebensbuch-Seit ganz selbstverständlich einhüllen

wie in eine weiche Daunendecke im Bett eines „Infinity“-Motel‘,

in dem ich als Gast jederzeit, blitzschnell,

die Zimmer wechseln könnte, nach meinem Gutdünken?

Dann könnte ich vielleicht tatsächlich mit ausgestrecktem Mittelfinger dem sogenannten Schicksal winken,

Hotelzimmer-„Flipping“ betreiben, wie ich es gerade will

und das Schicksal bliebe dabei friedlich-untätig-still.

Weil ich derjenige wäre, der seine eigene Rolle im eigenen Lebensbuch weiterschriebe

und dem, am Ende, auch die Entscheidung selbst für oder gegen ein erlebtes Happyend bliebe.

Was auch immer richtig ist,

eines bin ich ganz sicher nicht:

wissend unterwegs auf meinem Lebensbuchweg,

weil ich weder weiß, wohin, noch von wo oder wie lange dieser tatsächlich geht.

Ich weiß ja nicht einmal, an welcher konkreten Regalstelle in der göttlichen Bibliothek meine Lebensausgabe, mit welchem Vorwort oder Impressum, überhaupt steht.

Diese Unwissenheit macht meine Lebensbuchreise zwar zum Blindflug, das stimmt,

gleichzeitig sie hierdurch aber tagtäglich an Spannung und Abenteuer gewinnt.

Darum sollte ich vielleicht gar nicht versuchen, alles im Voraus zu meiner Lebensgeschichte zu ergründen,

sondern mich vielmehr mit Gottes Regieanweisungen abfinden

und meine Rolle bestmöglich spielen,

als ein Darsteller Gottes von unendlich vielen.

Und das in der Hoffnung, dass, wenn der letzte Vorhang für mich fällt,

der göttliche Beifall länger, als nur einen höflichen Moment lang, anhält.


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